19.10.2023

Restaurierung einer NSU Quickly



Im Schuljahr 2018 fasste der WP-Technik-Kurs Klasse 10 von Herrn Eberle den Entschluss, sich an der Restaurierung eines motorisierten Fahrzeuges zu versuchen.


Die Beschaffung eines „Kandidaten“ gestaltete sich einfach, da Herrn Eberles Cousin Christoph, der 2003 nach Ungarn ausgewandert war, ihm damals seine alte NSU Quickly aus Jugendtagen geschenkt hatte. Das Moped Baujahr 1960 war laut Versicherungskennzeichen 1984 zuletzt in Gebrauch. Es war zwar im Wesentlichen vollständig, aber in einem Zustand, der mit „patiniert“ viel zu freundlich beschrieben wäre… und weitere 15 Jahre in Omas Kohleschuppen haben ihn nicht besser gemacht.

Eine zähe Mischung aus öligem Schmutz und Rost haftete an Motor und Rahmenteilen. Gummi- und Plastikteile wie Reifen, Satteldecke, Seilzughüllen, Ansaugschlauch, Dichtungen und Kabelisolierungen waren versprödet und gerissen. Felgen und Speichen waren völlig verrostet, an den Blechteilen hatte die heldenhafte Fahrweise zweier oder dreier Generationen jugendlicher Quickly-Treiber ihre Spuren in Form von Beulen und Schleifspuren hinterlassen. Das gesamte Fahrzeug war irgendwann einmal mit der Sprühdose blau und weiß lackiert worden – individuell, aber weder schön noch fachmännisch.

Der Motor ließ sich nicht mehr drehen, der Vergaser war undicht und völlig verschmutzt, die Elektrik verbastelt. Eine Plastiklampe von einem Peugeot-Mofa der 1970er hatte den Platz des originalen Scheinwerfers eingenommen. Kleinteile wie Luftfilter und Auspuffhalter fehlten, Kettenantrieb und Zündung waren nicht mehr zu gebrauchen.

Zunächst wurde der Ist-Zustand mit Fotos dokumentiert, um beim Wiederzusammenbau nachschauen zu können, welches Teil wo hingehört. Beim anschließenden Zerlegen und Reinigen begannen die Schwierigkeiten: Einige Schrauben waren festgerostet oder vermurkst und mussten erst durch Rostlöser, Prellschläge und Erwärmen freundlich überredet werden, ihren seit Jahrzehnten gewohnten Platz zu verlassen. Zum Austreiben des festgegammelten Sattelrohrs musste eine passende Eisenstange besorgt und eine Gegenhalterung gebastelt werden. Auch der Kolben löste sich erfreulicherweise nach mehrwöchigem Einweichen mit Motoröl unter vorsichtigem Klopfen mit einem Holzstück wieder vom Zylinder.

Ein Bad in Dieselöl (und stundenlanges Schrubben mit Bürsten) befreite Motor, Vergaser und Getriebe zwar von ihrer Schmutzkruste, verlieh jedoch der Arbeitslehre-Sammlung über Monate sein eigenes, strenges Aroma.

Den Auspuff durften die Jungs auf dem Schulhof sehr zu ihrem Vergnügen unter großzügigem Einsatz von Heißluftgebläse und weiterem Diesel ausbrennen.

Rahmen und Blechteile wurden mit einer bohrmaschinengetriebenen Drahtbürste grob entlackt und entrostet, Spachtelmasse mit dem Heißluftgebläse entfernt. Die Feinarbeit erfolgte dann teilweise mit dem Schwingschleifer, größtenteils aber mit Schleifpapier und Cuttermesser von Hand! Unzugängliche Stellen wie Lampentopf und Felgenbett wurden sandgestrahlt – eine Tätigkeit, die dank unzureichender Kompressorleistung viele Stunden in Anspruch nahm und reichlich schmutzigen Strahlsand auf dem Schulhof hinterließ.

Um auch letzten Porenrost zu beseitigen, kam Phosphorsäure zum Einsatz. Mit Zangen, Gummihammer, Treibhammer und verschiedenen, eigens angefertigten Holzwerkzeugen wurden dann Schutzbleche und Verkleidungen ausgebeult und geglättet.

Der Tank war nach 34 Jahren Stillstand voller Rost und ausgehärteter Benzinreste. Zu seiner Innenreinigung wurde aus einer Bohrmaschine und dem Speichenrad eines Kinderfahrrades eine Dreheinrichtung improvisiert, auf der der Tank, gefüllt mit einer Mischung aus Glasscherben, Phosphor- und Zitronensäure, einige Stunden lang „Karussell“ fahren durfte.

Danach war er innen rostfrei, aber immer noch total verbeult: Am Ausbeulen war offenbar schon der junge Christoph Anfang der 80er Jahre gescheitert, und er hatte ihm mit reichlich Polyesterspachtel seine Tropfenform zurückgegeben.

Mangels Spezialwerkzeug und Erfahrung gelang es auch uns nicht, die Dellen von innen her herauszudrücken. In einem zweiten Versuch löteten wir M6-Maschinenschrauben mit ihrem Sechskantkopf auf die tiefste Stelle der Dellen und versuchten mit Gegendruckplatte und Schraubenmutter, die Dellen herauszuziehen: Leider vergebens. Die Hartlötstellen rissen ab, ohne dass das Blech sich im Mindesten verformt hätte. Daher blieb uns nichts anderes übrig, als die Dellen wieder zu kaschieren. Jedoch verwendeten wir hierzu Karosseriezinn statt der wenig haltbaren Spachtelmasse. Dabei nahmen wir uns die künstlerische Freiheit, die Vertiefungen für die ohnehin nicht mehr vorhandenen Embleme gleich mit zu überzinnen, so dass der Tank nun einheitlich glatt erscheint – nicht ganz original, aber schön.

Mit einer Inventur der vorhandenen, noch verwendbaren Teile und dem Erstellen eines „Einkaufszettels“ endete das Schuljahr 18/19: Der 10er-Kurs, der mit viel Begeisterung und Willen den frustrierenden und schmutzigen Teil der Arbeit erledigt hatte, musste die Quickly schweren Herzens unvollendet zurücklassen und nachfolgenden Jahrgängen den Wiederzusammenbau überlassen.

Dank Herrn Schmid gab es von der Schule einen Etat von 600€ für die Beschaffung von Ersatzteilen und hochwertigem Lack. In den Sommerferien grundierte und lackierte Herr Eberle die Einzelteile in den RAL-Farbtönen „weißgrün“ und „resedagrün“, die einer originalen Farbtonkombination nahekommen, aber bei Bedarf leichter nachzukaufen sind.

Nach den Ferien übernahm im Schuljahr 19/20 der 9er-Technikkurs die Quickly, kümmerte sich zunächst um Vergaser und Zündung sowie das Aufarbeiten diverser Kleinteile wie Bremsankerplatten, Kettenschutz oder Tankbefestigung.

Dann ging es ans Einspeichen der Räder. Zunächst stellte sich heraus, dass die gekauften Speichennippel für die Bohrungen der Felge zu groß waren. Aufbohren der 64 Löcher löste das Problem nicht zufriedenstellend, denn noch immer stießen die Köpfe der Nippel am Rand des Felgenbettes an, so dass sich die Speichen nicht gerade zur Radnabe ausrichten ließen. Was sich in zwei Sätzen einfach liest, war in Wirklichkeit eine vielstündige, enorm frustrierende Abfolge aus Rätselraten über diversen Anleitungen aus dem Internet, probeweisem Einspeichen, Kopfschütteln, Fluchen über Fehler, Ausspeichen, Überlegen, Bohren und Feilen, Anprobieren, wieder Einspeichen, Zentrieren, Fluchen über die krumme Felge, zerkratzten Lack und zerkaute Nippel, Ausspeichen, erneutem Überlegen usw.

Die coronabedingte Schulschließung im März 2020 setzte allen weiteren Versuchen ein Ende, und das Moped verschwand als Konvolut von Einzelteilen in den Regalen der Arbeitslehre-Sammlung.

Weiter ging es erst im September 2022, als der nächste 10er-Kurs sich des Projekts annahm. Weil die ohnehin rostgeschädigten und durch das Umbohren geschwächten, verbogenen Originalfelgen nicht mehr brauchbar erschienen und die Speichennippel nach vielen Einspeich-, Ausspeich- und Zentrierversuchen ruiniert waren, spendierte Herr Eberle der Quickly zwei neue, verchromte Felgen sowie neue Speichennippel. Mit diesem neuen Material und der Erfahrung aus dem vorangegangenen Kurs gelang das Einspeichen und Zentrieren der Räder innerhalb weniger Stunden. Nun ging es endlich daran, alles wieder zusammenzubauen und „auf die Räder zu stellen“:

Während eine Gruppe sich darum kümmerte, die Reifen aufzuziehen, die Bremsen zu reinigen und neu zu belegen, zog eine andere Gruppe Kabelbaum und Seilzüge in den Rahmen ein, montierte Sattel, Gabel, Lenker und Griffe. Wieder andere kümmerten sich um Lampen und Tacho und das Durchmessen der Zündung.

Leider war der 2020 neu gekaufte Zündkondensator durch Montagefehler beschädigt und musste nachbestellt werden, ebenso wie einige alte Kleinteile, z.B. Steckachsen und Benzinhahn, die sich nun noch als defekt erwiesen. Andere Teile wie Lampen- und Auspuffhalter fehlten und waren zu teuer (der Ersatzteiletat von 600€ war schon 2020 aufgebraucht), mussten deshalb selbst angefertigt werden, ebenso wie ein Hakenschlüssel für die Auspuffmutter. Dies verzögerte den Arbeitsfortschritt, verschaffte den Schülern aber Gelegenheit, noch etwas Metallbearbeitung zu lernen.

Sattel, Sattelstütze und Pedale bekamen wir, zwar nicht originalgetreu, aber optisch passend, kostenlos von der Fahrrad-AG des Schengen-Lyzeums zur Verfügung gestellt. Danke dafür!

Als schließlich Motor und Räder ihren Weg zurück in den Rahmen gefunden hatten, mussten die Kabel noch angeschlossen, das Getriebe mit Öl gefüllt, die Seilzüge montiert werden. Die Zündung lieferte (wider Erwarten, aber glücklicherweise) nach Zusammenbau gleich einen Funken und konnte eingestellt werden.

Ganz zum Schluss kam der Tank, der zum Schutz vor Beschädigung die ganze Zeit über im Regal geblieben war, wieder an seinen Platz.

Im Fahrradbetrieb über die Pedale probierten wir aus, ob Lenkung und Bremsen funktionieren, ob die Kupplung trennt und ob sich die beiden Gänge schalten lassen. Die Vorderbremse erwies sich als fast wirkungslos, obwohl wir sie mit neuen Belägen versehen hatten. Daher musste das Vorderrad wieder ausgebaut werden, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Beläge und Trommel schienen sauber und fettfrei zu sein. Nachdem wir stundenlang die Bremsbeläge immer wieder mit 320er Papier geschliffen und anprobiert hatten, bis ihr Tragbild zeigte, dass sie vollflächig an der Bremstrommel anlagen, war die Bremswirkung besser, aber immer noch nicht zufriedenstellend. Erst sehr sorgfältiges Putzen von Belägen und Trommel mit Bremsenreiniger sorgte endlich dafür, dass auch die Vorderbremse richtig funktionierte.

Nun kam der große Moment: Benzin-Öl-Mischung 1:25 wurde eingefüllt, das Moped auf den Schulhof gebracht. Würde der Motor anspringen?

Benzinhahn auf, Choke gezogen, im zweiten Gang durch Pedalieren auf etwa 15 km/h beschleunigt. Erst die Kupplung losgelassen, dann die Dekompression. Blubbernd dreht der Motor mit. Eine einzelne Zündung, noch eine, noch eine. Gas halb geöffnet. Die Zündungen werden regelmäßiger, gehen in ein Knattern über: Die Quickly fährt! Zum ersten Mal seit 39 Jahren!

Natürlich hatten wir einige Fehler bis dahin übersehen:

Das Gewinde der Leerlaufeinstellschraube im Vergaserdeckel war ausgeleiert, so dass der Motor im Leerlauf immer abstarb. Es wurde daher auf M8 aufgebohrt und an der Drehbank aus Edelstahl eine passende M6-Gewindebuchse mit Kragen angefertigt, die der originalen Einstellschraube nun wieder den nötigen Halt verleiht. Auch die Beleuchtung funktionierte noch nicht, so dass zum Durchmessen, Reinigen und Umbauen Lampe und Magnetzünder wieder demontiert werden mussten.

Einen gehörigen Schrecken verursachte ein metallisch schabendes Geräusch, das bei laufendem Motor aus dem Bereich des Magnetzünders drang. Glücklicherweise, so stellte sich heraus, hatte sich nicht etwa die Ankerplatte gelöst, sondern es war lediglich das Abdeckblech ein wenig verbogen und berührte das drehende Polrad. Einige gezielte Schläge mit dem Plastikhammer brachten das Blech wieder in Form.

Zum Schluss der Restaurierungsarbeit war noch etwas Schuljahr übrig. Zum Ausstellen des Fahrzeugs benötigten wir ohnehin eine Vitrine, damit nicht alle möglichen Leute sich daraufsetzen, daran herumfingern oder Teile abmontieren. Das einzig Gute, was die Coronazeit uns hinterlassen hatte, war Plexiglas in Form zahlreicher „Spuckschutzwände“, die nun nicht mehr gebraucht wurden und unbeachtet in den Klassenräumen herumstanden. Holz in Form roher Fichtenbretter fand sich in der Sammlung, und Möbelrollen hatte der Hausmeister für uns übrig. So verbrachten wir die letzten Unterrichtsstunden des Jahres damit, die Dachlatten durch den Dickenhobel zu schicken, die Kanten anzufasen, Überblattungen auszusägen und die Holzteile zusammenzuschrauben und zu ölen.

Mitgewirkt haben…

im Schuljahr 2018/19: Naël Abdulhali, Sophie Bleser, Eaden Daansen, Maéva Denzer, Jaime Favinha de Sousa, Peter Huckert, Olivia Janus, Mathias Kerpen, Laura-Marie Kurz, Mathieu Müller, Luca Niederprüm, Pit Nothum, Katharina Petgen, Ella Schaeffer, Celine Schumacher, Nicolas Ziegler

im Schuljahr 2019/20: Omar Al-Talab, Tim Becker, Samuel Beissel, Jona Burg, Jordan Dos Santos Gomes, Mohammad Zein Hsino, Daniel Kneppper, Tim Konz, Kacper Kuczkowiak, Loan Kuhlmann, Sandro Nero, Owen Rech, Laurent Sweerts, Tomás Vicente Santana

im Schuljahr 2022/23: Matteo Franzen, Niels Hemmerling, Maya Nilles, Nicole Siwek, Orlando Vankan, Noé Zangerlé-Even

NSU und die Quickly

Wer bei „NSU“ nur an die gleichnamige rechtsextreme Terrorgruppe aus Chemnitz denkt, liegt falsch: Die „NSU Motorenwerke“ stellten in der württembergischen Stadt Neckarsulm ab 1886 Fahrräder, von 1901 an auch Motorräder und ab 1906 auch Autos her. Einige Modelle sind noch heute allgemein bekannt: Während die NSU Quickly vielen Menschen einen erschwinglichen Einstieg in die motorisierte Fortbewegung ermöglichte, war der NSU Prinz von 1958 bis 1973 ein fortschrittlicher Kleinwagen mit sportlichen Ambitionen, und die Mittelklasse-Limousine NSU Ro 80 der erste Großserien-PKW mit Wankelmotor.

1969 wurde NSU vom VW-Konzern übernommen und mit der Marke „Auto Union“ zur „Audi NSU Auto Union AG“ fusioniert. Mit der Einstellung des Ro 80 verschwand 1977 die Marke NSU vom Markt.

Im Zweiradboom der 1950er Jahre hingegen war NSU der größte Zweiradhersteller der Welt, woran die von 1953 bis 1966 gebaute Quickly einen nicht unerheblichen Anteil hatte.

Hier sind einige technische Eckdaten der NSU Quickly:

· Motor: Zweitaktmotor mit 49 cm³ Hubraum

· Leistung: 1kW (1,4 PS)

· Höchstgeschwindigkeit: etwa 40 km/h

· Kraftstoffverbrauch: unter 2 l/100km Benzin-Öl-Mischung 1:25

· Getriebe: 2-Gang-Schaltung

· Räder: 26 Zoll

· Startsystem: Pedale

· Bremsen: Trommelbremsen vorne und hinten

· Gewicht: etwa 45 kg

Die NSU Quickly ist ein leichtes und kompaktes Fahrzeug, das sowohl für den städtischen Verkehr als auch für kurze Strecken auf dem Land geeignet ist. Es ist einfach zu bedienen, wodurch es früher sehr schnell zu einem beliebten Fahrzeug für junge Leute und Pendler wurde. Die genaue Stückzahl der produzierten NSU Quickly-Modelle ist nicht richtig bekannt, aber es wird geschätzt, dass in den 1950er und 1960er Jahren mehrere hunderttausend Exemplare hergestellt wurden. Die NSU Quickly trug zur Verbreitung von motorisierten Zweirädern bei und war ein wichtiger Bestandteil des deutschen Straßenbilds in dieser Zeit.

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